Dair Nua Cooperage: Küferei in Irland macht aus alten Whiskeyfässern wieder neu

Dair Nua Cooperage Küferei in Irland

(For an English version please go to Dair Nua Cooperage: New life for old whiskey casks in Ireland)

Für jeden erfahrenen Whiskey-Genießer ist es beinahe banales Hintergrundwissen: ein Whiskey muss in einem Holzfass lagern um überhaupt ein Whiskey zu werden. Was zunächst simpel klingt, hat einen deutlich weiteren Horizont. Denn wer schon einmal ein Warehouse besuchte, der weiß: Die Vielfalt an Fässern ist groß. Unterschiedliche Größen, verschiedene Holzarten und eine mengenmäßig kaum mehr greifbare Zahl an Vorbelegungen addieren sich zu dieser Vielfalt auf. Zudem weiß jeder, der schon einmal vermeintlich gleiche Single Cask Whiskeys miteinander verglich, dass selbst nahezu identische Fässer, unterschiedliche Einflüsse auf das Destillat ausüben. Ist also jedes Fass einzigartig? Oder sind sie letztlich doch alle gleich? Um hierüber mehr zu erfahren, besuchte ich im Dezember 2022 Dair Nua Cooperage, eine unabhängige Küferei in Irland.

Dair Nua Cooperage: Küferei ist einzige Fassmanufaktur in Irland

Die Dair Nua Cooperage tritt seit Januar 2022 als eigenständiges Unternehmen auf. Der Name ist Irisch. Übersetzt bedeutet er „neue Eiche“ und stellt eine deutliche Verbindung zum Produkt her. Ihre Ursprünge finden sich in der Nephin Distillery, die bei ihrer Gründung den Plan verfolgte, eine Brennerei und Küferei unter einem unternehmerischen Dach zu vereinen. Jedoch ging dieser Plan nicht auf. Während die Brennerei sich aktuell noch im Bau befindet, splittete sich die Fassmanufaktur letztlich ab. Dair Nua Cooperage war als unabhängige Küferei im Westen von Irland geboren.

Hierbei liegt ihr Standort außerhalb von Foxford, am Ostufer von Lough Conn im County Mayo. Eine halbe Stunde sind es von hier nach Ballina, Heimat der Connacht Distillery. Und eine halbe Stunde südlich liegt der Wallfahrtsort Knock, berühmt für seine Basilika und den Schrein von Knock. Ansonsten ist dieser Teil Irlands vor allem ländlich geprägt. Viel weites Land, der große See Lough Conn und dahinter der Gebirgszug Nephin im Westen.

Cooperage – Was ist eine Küferei?

In einer Küferei werden neue Fässer gebaut und gebrauchte Holzfässer repariert und wiederaufbereitet. Der dazu gehörende Beruf des Küfers war einst eine weit verbreitete Profession, denn Holzfässer dienten den Menschen über Jahrhunderte als Lagerbehälter für alle möglichen Gegenstände. So auch für Wein, Bier und alle Formen von Spirituosen. Doch Lagergewohnheiten änderten sich, andere Materialien als Holz kamen auf. In Irland letztlich ging die Whiskey-Industrie unter. Alles Faktoren, die dazu führten, dass der Küfer, Cooper auf Englisch, zu einer raren Profession geriet.

Küferei Irland Fassreparatur
Ein Whiskeyfass während der Reparatur

Woher kommen Whiskeyfässer? Aus der Küferei!

Nach einer fast vierstündigen Anreise fahre ich zunächst durch den Ortskern von Foxford. Die Hauptstraße verläuft durch das Zentrum und führt weiter nördlich in Richtung Ballina. Wenige Minuten nach der Ortsmitte erreiche ich mein Ziel in einer Seitenstraße. Ein kleiner Gewerbekomplex mit einfachen Hallen erwartet mich. Ich parke an der Straße am Ende der Sackgasse und schreite durch ein offenes Metalltor auf das Hofgelände. Das rechte Gebäude ist in zwei Hallen aufgeteilt. Die größere ist zur Seite hin weit geöffnet. Daneben sind an der Hallenwand Holzfässer zu einer hohen Pyramide aufgestapelt. Sie signalisieren deutlich, worum es hier geht.

Ich blicke durch ein kleines Fenster in einen Nebenraum. Darin sitzen zwei junge Männer und eine Frau steht im Raum. Ich winke hinein und gehe in die Halle. Die Frau tritt lächelnd aus dem Raum und bittet mich sogleich in diesen. Darin läuft ein Heizgerät auf Hochtouren und gibt an diesem kalten Dezembertag eine willkommene Wärme ab. Die Frau ist Annette Kearney, Inhaberin von Dair Nua, der unabhängigen Küferei in Foxford, County Mayo, Irland. Mit ihr im Raum sind ihre beiden Mitarbeiter Darren Leonard und Eoin Mangan. Während Darren bereits ausgelernter Küfer ist, lernt Eoin als Lehrling den Beruf von ihm. Ich treffe das Trio zum zweiten Mal. Dabei fand unsere erste Begegnung auf der Fachmesse Whiskey Live in Dublin im Juni 2022 statt. Damals bahnten wir an, was wir nun durchführten: Eine Führung durch die Fassmanufaktur.

Der Küfer: Ein fast verlorenes Berufsbild in Irland

„Dair Nua Cooperage ist die erste unabhängige, irische Küferei in Irland seit Ewigkeiten“, berichtet Annette. „Sonst gibt es keine. Die einzigen anderen irischen Küfer arbeiten bei den großen Destillerien.“ Namentlich Bushmills und Midleton. „Die letzten außerhalb dieser beiden arbeiteten für die Guinness-Brauerei und hörten in den 1960ern auf als Bier fortan in Metallfässern gelagert wurde“, erzählt sie weiter. „Deshalb sind Darren und in Kürze hoffentlich auch Eoin zwei von dann vielleicht insgesamt nur vier irischen Küfern.“

Dair Nua Cooperage Darren Leonard Cooper
Küfer Darren Leonard bei der Arbeit mit dem Crozer, einem Spezialwerkzeug

Wie in so vielen Fachbereichen der Whiskey-Produktion kommt die Nachfrage nach Profis dem Wachstum der irischen Whiskey-Industrie kaum nach. So auch die Nachfrage nach Fassbau-Experten. Deshalb erlernte Darren sein Handwerk ab 2016 für vier Jahre von zwei schottischen Experten, die dafür eigens auf die Grüne Insel reisten. Eoin nun lernt wiederum von Darren, der sich mittlerweile auf dem weiteren Weg zum Master Cooper befindet. „Dann wäre Darren der jüngste Master Cooper in Irland“, sagt Annette stolz.

Eine Tour durch Dair Nua Cooperage, die unabhängige Küferei in Irland

Wir gehen nun aus dem kleinen Aufenthaltsraum hinaus in die offene Halle. Der größte Teil dieser ist vollgestellt mit Fässern, die in einem sauberen Block angeordnet stehen. „Das sind Fässer, die vor Kurzen von einer Destillerie angeliefert wurden“, erklärt Annette. Sie müssen allesamt inspiziert, gegebenenfalls repariert und anschließend aufbereitet werden.“ In der Küferei beginnt für diese Whiskey-Fässer ihr zweiter Lebensabschnitt. Hierzu Annette: „Ganz neue Fässer starten ihren Lebenszyklus mit der ersten Belegung. Das gängigste sind amerikanische Eichenfässer in denen zuerst Bourbon Whiskey lagert. Nach ihrer ersten Entleerung kommen diese nach Irland und werden hier wieder neu mit Irish Whiskey befüllt.“ Nach etlichen Jahren und häufig mehrfacher Belegung mit Whiskey müssen die Fässer aufgearbeitet werden, um weiterhin für die Fassreifung von Destillat eingesetzt werden zu können. Das gleiche gilt für Weinfässer.

Dair Nua Cooperage Küferei in Irland
Whiskey-Fässer stehen ordentlich in Reih’ und Glied

Die Arbeit eines Küfers: Fässer inspizieren, reparieren und wiederaufbereiten

„Die Fässer, die wir erhalten sind im Schnitt zehn bis zwölf Jahre alt. Teilweise aber auch schon 30 oder 40“, weiß die Inhaberin von Dair Nua Cooperage, der einzigen Küferei in Irland. Und weiter: „Sie haben dann derart lange Wein, Bourbon und Whiskey beinhaltet, dass das Holz kaum noch aktiv Geschmacksaromen abgibt. Außerdem können die Fassdauben lecken oder die Fassringe locker sein. Hier beginnt unsere Arbeit.“ Fassdauben heißen die abgerundeten Holzbretter, aus denen das Fass zusammengesetzt ist. Die metallischen Fassringe, fünf an der Zahl, halten diese mit Druck zusammen.

Küferei in Irland: Die Reparatur von Whiskey-Fässern in der Dair Nua Cooperage

Zunächst inspizieren Küfer Darren und sein Lehrling Eoin die Fässer und stellen einen Reparaturbedarf fest. Liegt ein solcher vor, führen sie die notwendigen Reparaturen durch. Wir gehen in den hinteren Arbeitsbereich der Halle. Dort steht ein Fass-Skelett, aus dem die beiden ein Großteil der Dauben und die Fassringe entfernten. Lediglich der oberste Fassring hält das ganze Konstrukt noch zusammen. Hieran ist gut die bauliche Struktur eines Fasses ersichtlich. Darren weist auf die unterschiedlichen Größen der Dauben hin. „Wenn eine kaputt ist, muss man eine finden, die identisch groß ist. Oder sich eine passend zurecht schneiden“, berichtet er. Dauben, die er aus dem Fass entnimmt, nummeriert er mit weißer Kreide. So erkennt der Fachmann beim Zusammenbau, an welche Stelle sie gehörte. Sind schließlich alle Dauben wieder intakt und an Ort und Stelle, bringt er die Fassringe wieder an. Dazu nimmt er sich zwei Werkzeuge – einen schweren Hammer und eine Art Meißel – und schlägt gekonnt auf die Metallringe bis diese in ihrer Position sitzen. Nichts bewegt sich schließlich mehr. Ringe und Dauben sitzen felsenfest.

Whiskeyfass Dauben
Maßarbeit ist wichtig damit das Fass dicht schließt

Ist der Deckel oder Boden des Fasses beschädigt, reparieren Darren und Eoin diese ebenfalls oder bauen einen Neuen. Dazu passt das Duo die Dauben an ihrem Ende mit Spezialwerkzeugen an, bis der Deckel dicht schließt. „Mich hat an dem Job von Anfang an begeistert, dass alles Handarbeit ist. Und die Werkzeuge sind sehr besonders,“ sagt der Fass-Handwerker Darren Leonard. Dabei führt er vor, wie er mit dem sogenannten Crozer die schmale Führung am oberen Fassende anpasst, damit der Deckel richtig sitzt. Hier zeigt sich deutlich, warum der Beruf des Küfers eine mehrjährige Ausbildung erfordert. Der richtige Einsatz des Spezialwerkzeugs und gekonnte Feinarbeit führen zum perfekten Ergebnis.

Rejuvenation: Die Wiederaufbereitung von Whiskeyfässern beginnt mit dem De-Charring

Ist ein Fass repariert, gesellt es sich wieder zum Rest der angelieferten Charge. Diese ist nun bereit für die Wiederaufbereitung. Dabei kommt das Fass in eine Maschine, die es von innen in Millimeterarbeit ausfräst. Dadurch entfernt der Küfer eine drei Millimeter dicke Holzschicht, aus der Wein und Spirituose über Jahrzehnte die Geschmacksstoffe gezogen haben. „Das war auch mal Handarbeit. Aber keine schöne,“ lacht Darren. Der Prozess entfernt auch eine leichte Kohleschicht an der Innenseite des Fasses. Daher stammt die Bezeichnung De-Charring. Anschließend folgt der zweite Schritt der Wiederaufbereitung. Das Fass wird mit einer Art Flämmer von Innen neu ausgebrannt. Dabei bildet sich eine neue, dünne Kohleschicht an der Innenseite des Fasses.

De-Charring Whiskeyfässer
Das De-Charring läuft automatisch mit einer Maschine

Dair Nua Cooperage in Irland: Das Re-Charring in der Küferei bringt neues Leben in altes Holz

Das Ausflämmen, als Charring beziehungsweise bei gebrauchten Fässer als Re-Charring bezeichnet, ist eine Standardprozedur bei Holzfässern. Neue und wiederaufbereitete Fässer werden zu Beginn innen verkohlt. Der Prozess öffnet die Holzporen und löst bestimmte chemische Prozesse innerhalb der Holzzellen aus. Daraus resultiert die Fähigkeit des Holzes, stärker mit dem Destillat zu agieren. Gleichzeitig entstehen die typischen Holz-Aromen, die Genießer im Whiskey wiederfinden. Beispielsweise entstehen hierbei Vanille- und Karamellaromen. Das Charring findet in verschiedenen Intensitätsstufen statt, resultierend in unterschiedlich starken Verkohlungen. Vier Verkohlungslevel sind in der Küferei ausgestellt. Von einem leichten Level, dem sogenannten Toasting, bis zur stärksten Stufe, dem Alligator Char. Tatsächlich erinnert die Fassinnenseite beim Alligator Char an die Haut des Reptils.

Whiskeyfass Char Level
Innenseite eines wiederaufbereitetend Whiskeyfasses nach dem Re-Charring

Ist jedes Fass gleich oder doch einzigartig?

„Das Fass ist nun wieder bereit für den neuen Einsatz. Grundsätzlich ist es jetzt wieder ganz nah am Niveau eines Virgin Casks, also eines Fasses vor der ersten Befüllung“, schließt Darren die Tour ab. Deutlich wird nun, dass die eingangs beschriebene Vielfalt an verschiedenen Fassarten für die Arbeit des Küfers keine allzu große Rolle spielen. Denn die Baustruktur der Fässer ist stets die gleiche und der Aufbereitungsprozess identisch. „In ihrer Struktur sind alle Fässer gleich, egal welches Holz, egal welches Fassungsvolumen und egal was zuvor darin lagerte“, erklärt der angehende Küfermeister Darren. „Natürlich sind manche Holzarten poröser und andere wiederum härter. Das gilt es beim Bearbeiten zu beachten, um nicht versehentlich etwas zu beschädigen. Aber letztlich ist der Job immer gleich.“

Tipps vom Küfer: Holzfässer richtig lagern

Wir sind zurück im Aufenthaltsraum und die kleine Heizung wärmt uns wieder auf. Ich blicke nach draußen, wo am gegenüberliegenden Ende des Hofes Fässer lagern. Ich frage, wie man leere Fässer optimal lagert. Hierzu wieder Darren: „Idealerweise vor Regen geschützt. Und liegend. Damit sich trotz allem kein stehendes Wasser ansammelt. Ansonsten ist das Klima in Irland ideal für langfristige Lagerung, auch im Freien. Hier wird es nicht zu warm. Zu viel Sonne und Hitze trocknen das Holz aus und verformen es. Dann kann ein Fass schnell lecken,“ erklärt er. „Deshalb lagert man Fässer am besten auch nicht leer sondern mit Flüssigkeit befüllt. Solange die Konstruktion unter Druck steht, verändert sie sich nicht.“

Küferei in Irland: Blick nach vorne mit Dair Nua Cooperage

Neubau betreibt Dair Nua nicht. Annette berichtet: „Wir haben zunächst damit gestartet, Fässer zu handeln. Mein Geschäftspartner Paul sitzt in Bordeaux, also inmitten einer Hochburg für gebrauchte Weinfässer. Grundsätzlich besorgen wir aber Fässer von überall.“ Diese bereitet die Küferei anschließend auf und bietet sie den Brennereien an. „Wir bekommen viele Anfragen nach Fässern. Einmal gibt es derzeit eine Knappheit am Markt für Bourbonfässer. Zum anderen suchen irische Brennereien nach außergewöhnlichen Fässern um sich mit einem besonderen Finish am Markt abzugrenzen“, beschreibt sie die aktuelle Nachfrage. Viele jüngere irische Brennereien haben in den letzten Jahren ihre ersten Fässer genutzt und zum zweiten Mal Whiskey eingefüllt. Mit jeder weiteren Abfüllung steigt der Bedarf, diese alternden Fässer zu reparieren und wiederaufzubereiten. Deshalb steigt die Nachfrage bei Annette konstant an. „Wir brauchen mehr Leute und mehr Platz“, sagt sie. „Außerdem arbeiten wir an Automatisierungen wie beim De-Charring, möchten also Handarbeit durch Maschinen effizienter machen.“

Die Automatisierungen betrachtet sie selbst als zweischneidiges Schwert. Das Berufsbild des Küfers drohte bereits auszusterben und wurde mit Darren und Eoin erst jüngst wiederbelebt. Um die Nachfrage zu bedienen und wirtschaftlich zu arbeiten, ist der Maschineneinsatz jedoch notwendig. „Je mehr Arbeiten durch Maschinen erledigt werden, desto weniger benötigt man das Fachwissen und handwerkliche Geschick des Küfers. Dabei wollen wir doch gerade das am Leben erhalten und fördern“, beschreibt sie das Dilemma. Deshalb sollen Darren und später Eoin auch weiterhin ausbilden und dafür sorgen, dass mehr und mehr junge Menschen dem Beruf des Küfer nachgehen. „Ich würde mich freuen, wenn sich auch weibliche Interessentinnen fänden“, sagt Annette. „Das wäre mir ein wichtiges Anliegen.“