Killarney Distillery Whiskey: Noch ein Jahr bis zur magischen Drei

Killarney Distillery John Keane

(For an English version, please go to Killarney Distillery Whiskey: One year until the magic three)

Aufmerksame Leser dürften beim Lesen der Überschrift einen Hauch von Verwirrung spüren. Schon wieder Killarney? Richtig, erst vor Kurzem besuchte ich die Baustelle der Killarney Distilling Company am Ring of Kerry. Jedoch heute widme ich mich der zweiten Brennerei am Ort, der Killarney Distillery und ihrem Whiskey. Trotz der Ähnlichkeiten in der Namensfindung unterscheiden sich die beiden Brennereien signifikant. Entsprechend diffus war mir zu Beginn meiner Zeit in Kerry bewusst, dass es zwei verschiedene Destillerien im Großraum Killarney gibt. Dabei war mir eine, nämlich eben die Killarney Distillery, etwas mehr präsent. Denn sie befindet sich in Scart, unmittelbar an der Hauptstraße die meinen Wohnort Tralee mit Killarney verbindet. Entsprechend regelmäßig fuhr ich bereits an ihr vorbei.

Im November 2022 nahm ich mit John Keane Kontakt auf. Er ist Inhaber und Mann für alles in seiner Killarney Distillery. Trotz der besonders geschäftigen Jahreszeit im Herbst lud er mich freundlich zu einem Besuch ein. Somit legte ich Ende November die 20-minütige Strecke nach Scart zurück. In Kerry hatte es seit Anfang Oktober nahezu ununterbrochen geregnet. Dieser Spätnachmittag war nicht anders. So trommelten die Regentropfen auf meine Jacke während ich das Auto verließ und den Parkplatz überquerte. Vor dem Gebäude stand ein offener Van und ein Handwerker suchte darin seine Materialien zusammen. Er nickte mir zu ehe ich durch die leicht geöffnete Seitentür in die Halle eintrat.

Killarney Distillery Pot Stills
Die selbstgebaute Brennanlage

John Keane und die Killarney Distillery

Der Killarney Distillery Whiskey entsteht in einer Lagerhalle, die zu einem kleinen Gewerbegebiet gehört. Zu ihren Nachbarn auf dem Grundstück gehören zwei Autowerkstätten. Von außen ist die Brennerei an der weißen Gebäudewand erkennbar, die zur Straße weist. In großen, schwarzen Lettern ist dort der Name Torc aufgemalt. Torc ist die Brauerei, mit der für John Keane in 2014 alles begann. Heute teilen sich Brauerei und Brennerei den Standort.

Ich gehe nun durch die Halle, vorbei an einem Palettenlager. Dahinter stehen zwei auffällige Pot Stills der Marke Eigenbau. Mein Blick wandert an das Ende der Halle, von wo Stimmen ertönen. Ein Mann dort erblickt mich, sagt noch etwas zur Seite gewandt und geht dann auf mich zu. Es ist John, der mich nun begrüßt. Nach kurzem Gespräch über die aktuelle Großwetterlage in Kerry treten wir an ein Holzfass, das als Tisch und Ablage dient. Vielerlei Kram liegt wahllos darauf herum. Deutlich spürt man, dass dies einerseits ein laufender Produktionsbetrieb ist und sich andererseits vieles noch im Entwicklungsstadium befindet.

Torc Brewing und Killarney Distillery Whiskey

„Wir zogen in 2018 nach hier. Zuvor saßen wir mit unserer Brauerei am anderen Ende von Killarney“, blickt John auf seinen Werdegang zurück. „Die Brauerei selbst begann in 2014. Ich war damals Hobby-Brauer und arbeitete als Technischer Berater. Doch mein Arbeitgeber schloss das Unternehmen und ich ging in die Arbeitslosigkeit.“ Diese persönlich schwierige Situation löste John offensiv: „Mein Bier war gut, die Leute mochten es. Also machte ich mich selbstständig und eröffnete Torc Brewing als Craft Beer-Brauerei.“

Tatsächlich kam sein Bier auch nach dem professionellen Start weiterhin gut an und die Marke Torc machte sich in seiner Heimatstadt einen Namen. „Es ist schwierig mit Craft Beer in die Pubs zu kommen. Die großen Platzhirsche blockieren mit all ihrer Kraft die Zapfhähne“, berichtet John. „Damals aber schwappte gerade die Craft Beer-Welle durch Irland. Das hat sehr geholfen, denn die Bars wollten ihren Gästen lokale Biere anbieten“, weiß er. Letztlich plante John Keane die erste Expansion. Allerdings fehlte ihm dazu das Geld. „Ich steckte in einer klassischen Falle. Ich konnte größere Aufträge erhalten, brauchte aber das Geld um die Materialien vorzufinanzieren. Ohne Cash, kein Auftrag. Ohne Auftrag, kein Cash“, so John.

Torc Brewing Killarney
Blick in die Produktion von Brauerei und Brennerei. Im Hintergrund zeigt ein Wandgemälde die verarbeiteten Rohstoffe

Killarney Distillery: Mehr als nur Whiskey

Zu der Zeit traf er sich erstmals mit Aidan Forde, seinem künftigen Geschäftspartner. Darüber erzählt John: „Aidan und ich verstanden uns von Anfang an großartig. Wir funkten auf einer Wellenlänge.“ Aidan Forde investierte in Torc Brewing. Die neuen Mittel flossen in die Produktion und das Unternehmen zog schließlich in die größeren Räumlichkeiten in Scart. Dabei blieb John nicht nur beim Bier: „Wir rösten hier seit 2019 ebenfalls unseren eigenen Kaffee: Killarney Coffee.“ Parallel entstand die Schokoladen-Manufaktur Killarney Chocolate. „Das Schokoladengeschäft stellten wir aber recht schnell wieder ein. Leider konnten wir nicht wirtschaftlich genug produzieren um preislich wettbewerbsfähig zu sein.“

Bier, Kaffee, Schokolade. Hinter der Vielfältigkeit steckt Johns Attitüde, neue Dinge anzupacken und auszuprobieren. In die Destillation von Spirituosen einzusteigen, erscheint dabei für einen Brauer die naheliegendste Schlussfolgerung. Das sah auch John selbst so. Im Dezember 2020 destillierte er seinen ersten Whiskey New Make. „Im Dezember 2023 wird unser erster Whiskey offiziell drei Jahre alt,“ freut sich John auf die Zukunft. Durchaus ungewöhnlich war der Weg zur Erst-Destillation. John und ich gehen hinüber zur zweiteiligen Brennapparatur. Hieran fallen vor allem die ungewöhnlichen Swan Necks auf, denn sie bestehen aus jeweils fünf Einzelrohren. „Die Auswahl der Rohre kann ich individuell einstellen. So steuere ich den Rückfluss nach Wunsch. Zudem sind die Kondensatoren innenliegend“, erklärt mir John.

Killarney Distillery Pot Stills Swan Necks
Die auffälligen Swan Necks der Pot Still-Apparatur

Der Killarney Distillery Whiskey

Johns Pot Still-Anlage für den Killarney Distillery Whiskey ist selbst entworfen und für ihn individuell gebaut. Die Materialien besorgte er in Eigenregie. So besteht die untere Hälfte der Brennblasen aus alten Milch-Containern, die er von einem Landwirt erwarb. Den gesamten Kupferteil hämmerte und schweißte ihm ein Bekannter nach Johns Vorgaben: „Ich fragte ein wenig rum. Schließlich sagte mir ein Bekannter, er mache den Job für ein paar Kaffee. Tatsächlich war kurze Zeit später alles fertig und einsatzbereit.“ Durchaus ungewöhnlich und gleichzeitig bemerkenswert. Vor allem sparte John einen Haufen Geld. Er führt aus: „Die meisten Brennereien beziehen ihre Apparaturen von Forsyths in Schottland. Das ist teuer und zudem haben dadurch alle die gleiche Art von Pot Still. Ich wollte aber etwas, das uns einen individuellen Rohbrand produziert.“ Die Pot Stills fassen jeweils 2.000 Liter. Planmäßig sollen vierzehn Fässer Rohbrand pro Woche entstehen, wenn John später im 24/7-Modus destilliert. „Wenn das klappt, bin ich glücklich“, lächelt John.

Was John destilliert ist ein Pot Still Whiskey, sowohl den rechtlichen Vorgaben entsprechend als auch nicht-konform. „Der allererste Whiskey wird ein legaler Pot Still Whiskey aus gemälzter und ungemälzter Gerste sein, der bis zu 5 % Hafer enthält“, weiß John. „Aber ich mag es nicht, derart eingeengt zu sein. Deshalb sind andere Pot Still Mashbills außerhalb der Vorgaben des Technical Files.“ Der Killarney Distillery Whiskey wird sowohl zweifach als auch dreifach gebrannt. Hierbei beschreibt John Keane seinen New Make als einen leichten, delikaten Brand.

Killarney Distillery Whiskey

Irish Whiskey aus den Augen eines Bierbrauers

„Ich betrachte die Destillation aus den Augen eines Bierbrauers. Deshalb benutze ich nahezu ausschließlich Bierhefe wie beispielsweise Weizenbier-Hefe. Nicht zwangsläufig dieselbe wie für unsere Biere. Sondern stets die Sorte, von der ich glaube, sie eignet sich für das Destillat am besten“, beschreibt er seine Materialauswahl. Dieses Vorgehen führt zu einer langen Fermentationszeit. Dazu John: „Wir fermentieren die Maische für 14 Tage bei 18 bis 20 Grad.“ Er lacht bei meinem erstaunten Blick über die lange Gärzeit. „Das ist für Brauer normal. Bierhefe ist grundlegend anders als die gängigen Sorten für Destillateure.“ Dazu fermentiert John „on the grain“, belässt das Getreide also während des Prozesses in den Washbacks. „Dadurch gehen mehr Geschmacksnoten in die Wash“, sagt er.

Das Getreide für die Destillation bezieht John vollständig von lokalen Landwirten. „Das am weitesten entfernte Feld liegt 20 Kilometer von hier“, weiß er. Hierbei arbeiten die acht Landwirte in Johns Auftrag. „Ich bringe ihnen das Saatgut, welches ich angebaut haben möchte. Vor allem sind das historische Getreidesorten, die es heute gängig nicht mehr gibt. Dabei beobachte ich genau, wie sich die Sorten auf den unterschiedlichen Standorten entwickeln“, erklärt John. „Es ist interessant zu sehen, wie sich die Pflanzen auf benachbarten Feldern teils völlig unterschiedlich entwickeln“, lächelt er.

Eigene Mälzerei, Peated Malt und Virgin Killarney Oak

Die weiteren Schritte vor der Destillation finden allesamt vor Ort statt. So hat John einen eigenen Malting Floor, wo er sein Getreide mälzt. Dabei verwendet er zum Darren Torffeuer. „Der Torf stammt aus lokalen Feldern. Ich achte darauf, das Getreide mit Torf zu darren, welches wiederum idealerweise aus unmittelbarer Nähe des jeweiligen Gerstenfeldes stammt“, berichtet er.

Ein klarer Fokus auf die Hefe und ein starkes Augenmerk auf Herkunft und Art von Getreide und Torf – es überrascht nicht, dass John ebenfalls auf die Details seines Fass-Managements achtet. „Wir fassen Bourbon-Fässer nicht an“, eröffnet er deutlich. Deshalb lagert der Killarney Distillery Whiskey fast exklusiv in Sauternes-Weinfässern. Diese bezieht John aus unterschiedlichen Quellen in Frankreich. „Darunter sind renommierte Weingüter, die ich namentlich nicht nennen darf. Solange ich noch keinen Whiskey veröffentlicht hab, befürchten sie, die Verbindung könnte den Ruf schädigen.“ John lacht. Neben Sauternes-Fässern hat John verschiedene Fässer aus Virgin Killarney Oak. Diese ließ er nach Sturmschäden aus lokal gefällten und umgestürzten Bäumen fertigen.

Killarney Distillery Whiskey Sauternes Casks
Sauternes-Fässer aus Frankreich. Hierin lagert der Killarney Distillery Whiskey

Virgin Killarney Oak für den Killarney Distillery Whiskey

„Diese Fässer sind teils 700 Liter groß. Das ist das legale Maximum, welches ein Fass für irischen Whiskey haben darf. Irische Eiche ist aufgrund des hiesigen Klimas anders als europäische oder amerikanische Eiche. Und rar“, erklärt John. In der Auswahl der Fässer steckt für John ein weiterer Schlüssel zu einem individuellen Whiskey. Mit Sauternes und lokaler Eiche als Markenzeichen für den Killarney Distillery Whiskey. „Sicherlich werde ich auchh Bierfass-Finishes machen. Das ist naheliegend. Vielleicht sende ich auch Eichenfässer nach Frankreich um darin Sauternes zu lagern. Möglichkeiten gibt es genug“, schaut John voraus.

Während sein Whiskey in Fässern lagert und auf die Reife wartet, plant John die nähere Zukunft. Dabei steht eine weitere Expansion an. Um für die Produktionserweiterungen gerüstet zu sein, benötigen Brennerei und Brauerei mehr Platz. Deshalb bezieht John in 2023 zusätzlich die nebenstehende Halleneinheit. Zudem arbeitet er an der Automatisierung der Produktion. Hierbei sind zwei Projekte bereits in Entwicklung. Dazu holt er sein Mobiltelefon heraus und öffnet eine App.

Zukunft durch Expansion und Professionalisierung

„In Zusammenarbeit mit dem IT Tralee entwickelte ich diese App. Sie zeigt mir immer die aktuellen Daten der laufenden Destillation. So kann ich beispielsweise reagieren, wenn etwas nicht nach Plan läuft. Außerdem schaltet die Anlage automatisch ab, sollten Dinge schiefgehen.“ Gleichzeitig möchte John diese technischen Daten für seine Kunden verfügbar machen. Dazu schwebt ihm vor, die Daten live auf der Webseite zu streamen. „Dadurch kann jeder jederzeit sehen, was wir gerade destillieren und vor allem wie wir es machen.“ Zudem plant John eine Automatisierung beim Mälzen. Hierbei soll ihm ein Roboterarm die Arbeit beim Wenden des Getreides abnehmen. Hierzu erklärt er: „Das Wenden ist eine fürchterliche Arbeit, da man in den stinkenden Malt Floor muss. Ich mag es, mich aus solchen Problemen technisch heraus zu winden.“

Natürliches Warehouse und Irlands erste Rye Whiskey Distillery

John berichtet mir über weitere Pläne. In einem alten Steinbruch an der Westküste von Kerry plant er ein natürliches Warehouse. Hierbei spricht John Keane von außergewöhnlichen Lagerbedingungen für den Killarney Distillery Whiskey. „Ich muss nichts bauen, lediglich den Zugang sichern. Und im Inneren herrschen ganzjährig konstant zwölf Grad Celsius.“ Was ihm fehlt ist die finale Baugenehmigung. Außerdem plant er die Inbetriebnahme einer zweiten Brennerei. „Der Standort besteht bereits und wir beginnen planmäßig im kommenden Jahr mit der Destillation. Es wird eine Rye Whiskey-Brennerei.“ Was er gelassen ausspricht, sind in Wahrheit große Neuigkeiten, denn mit einer reinen Rye Whiskey-Brennerei wäre John ein Pionier in der irischen Whiskey-Welt.

All diese Pläne richten sich auf ein Ziel aus: Den Killarney Distillery Whiskey zu produzieren. Hierbei steht eine wichtige Frage im Raum: Warum verwendet er ebenfalls den Stadtnamen im Branding? „Natürlich wäre es logischer, Brennerei und Whiskey Torc zu nennen,“ räumt er ein. Hier atmet John einmal tief durch und holt anschließend weiter aus: „Es ist grundsätzlich nicht in Ordnung, dass jemand eine Ortsbezeichnung für ein Produkt verwendet, wenn dieses Produkt nicht aus diesem Ort stammt.“ Ein klarer Seitenhieb gegen die Killarney Distilling Company. Dort erschien im Jahr 2021 die erste Abfüllung unter dem Markennamen Killarney. „Das war ein achtjähriger Whiskey, den sie mangels eigener Brennerei anderweitig beziehen mussten“, erklärt John.

Label-Transparenz

John sieht hier in der gesamten irischen Whiskey-Industrie einiges im Argen: „Es ist mir ein großes Anliegen, dass Transparenz für den Konsumenten vorherrscht. Wenn jemand eine Ortsbezeichnung auf dem Label verwendet, suggeriert das für den Käufer, dass das Produkt aus diesem Ort stammt. Leider tut es das mehrheitlich nicht.“ Für John unverzeihlich, achtet er selbst schließlich genau auf die Herkunft der Materialien für seine Produkte. Er berichtet weiter: „Ich habe die Irish Distillers Association gegründet, ein Verband für Destillerien, die sich Transparenz auf die Fahne schreiben wollen.“ Zu Johns Bedauern mit mäßigem Erfolg: „Es gibt viel positives Feedback. Aber niemand traut sich, das öffentlich zu tun“, sagt er. Vielmehr machte die Mehrheit weiter wie zuvor.

Vor allem seine Mitstreiter aus Killarney bereiten ihm Sorgen. „Die Diskussionen mit der Killarney Distilling Company mündeten in einem noch immer laufendem Rechtsstreit,“ gibt er an. Hierbei teilten beide Seiten gegeneinander aus. „Sie wollen mir ebenfalls die Nutzung des Stadtnamens verbieten. Auch hier: Natürlich wäre es logisch, einfach unter dem Namen Torc weiterzumachen. Aber es geht jetzt natürlich auch um prinzipielle Fragen“, zeigt er sich entschlossen.

John und ich verabschieden uns voneinander. Beim Rausgehen, gibt er mir einen Karton mit Bier. Torc Brewing Smoked German Ale. Mit dem klirrenden Karton unter dem Arm trete ich auf den Parkplatz. Es ist mittlerweile stockdunkel. Natürlich regnet es. Im Auto mache ich die Scheibenwischer an. Für John Keane und den Killarney Distillery Whiskey wäre es schade, sollte sich der Rechtsstreit negativ auf sein Unternehmen auswirken. Denn seine Leidenschaft für ein gutes Produkt aus lokalen Rohstoffen und sein individueller Weg machen neugierig auf das Ergebnis.